Tag 24 - Bedürfnisse erfüllen

Und mal wieder früh raus…
Gegen 7 Uhr morgens mache ich mich mit der Camino Familie auf den Weg. Es ist frisch, die Sonne nur schwach zu erahnen.
Wieder mal kurzzeitig der Gedanke, was mache ich denn bitte so früh am Morgen auf diesem Weg.
Doch irgendwie schiebt eine gewisse ‘Masse’ an Menschen mich innerlich auf diesem Camino mit voran und die kleinen Momente des Tages bringen mich vorwärts.

Schon am frühen Morgen mit ‘janz’ viel Witz unterwegs :-)
Nach relativ kurzer Zeit gab es die erste Pause - kleines Käffchen und schon weiter im Takt!
Es sind jetzt seit Redondela wesentlich mehr Pilger*innen unterwegs und ein ‘Buen Camino’ ist viel öfter zu hören.
Frage mich, wie es wohl ankommt, wenn ich in einer Großstadt wie Berlin, den Menschen morgens ‘Buen Camino’ wünschen würde?! Wahrscheinlich ziemlich großes Unverständnis und Überforderung, weil es zu viele Menschen wären.
Wir Drei sind uns auf jeden Fall einig, dass es irgendwie weniger angenehm ist, wenn so viele Menschen auf dem Weg unterwegs sind - obwohl wir ja auch ein Teil dieser Massen sind, wünschen wir uns wohl alle etwas mehr Ruhe und Abgeschiedenheit für den Weg - je nach aktuellen Bedürfnis.
Der Wunsch nach Ruhe erfüllte sich im Laufe des Tages auch immer mal wieder - mittlerweile liefen ganze Gruppen von mehr als 4 Personen auf dem Camino und ein Geschnatter :-D
Ich erinnere mich dann gerne daran zurück, als ich meine Begegnungen mit anderen Pilgernden hatte und manchmal wie ein kleiner Wasserfall über Gott und die Welt gequasselt habe. Aber es ist ja immer erstmal einfacher über die Anderen innerlich herzuziehen.

Nach dem 2. Frühstück, was sehr lecker war, gingen wir alle Drei unterschiedliche Wege bzw. in unserem eigenen Tempo.
Ich begegnete wieder dem südafrikanischem Paar, welche mir berichteten, dass Feliz Probleme mit ihrem Knöchel habe und ich hoffe für sie, dass die ihren Knöchel gut fixieren kann und weiter laufen kann. Denn ihr bedeutete es sehr viel, den Weg abschließen zu können. Da sie beim letzten Mal, vor einem Jahr, den Weg in Póvoa de Varzim aufgrund von Knieproblemen nicht weiter laufen konnte.

Quatschkopp und Leseratte :-) Camino Family

Nach Ponte Medieval de Pontesampaio kam ein etwas längerer Waldabschnitt und Dudelsack-Musik erklang aus diesem heraus. Ein Dudelsack-Spieler spielte und verkaufte selbst gemachten Schmuck, Jakobsmuschel-Anhänger und weiteres. Irgendwie schön und auch komisch - einfach mal so stehen lassen und genießen. Dafür setzte ich gerne meine Kopfhörer ab, die ich seit langem mal wieder drin hatte.

Weiter im Wald verkaufte ebenfalls ein Künstler seinen Schmuck und vergab Stempel. Andere wiederum hatten mitten im Wald gemütliche Sitzecken aus Heuballen und Decken kreiiert, wo man Pause im Schatten der Bäume einlegen konnte. Hatte etwas Romantisches - warum auch immer musste ich in diesem Moment an eine Hippie Hochzeit im Grünen denken. Obwohl ich noch auf keiner war, die da gerade in meiner Fantasie entstand :-D

Nun gut, nach einem Eistee, kurzem Gespräch mit dem südafrikanischem Paar sowie Feliz, die wieder fit war, ging es weiter. Ohne Musik und etwas ruhiger im Wald, was mich freute. Es war wirklich ziemlich warn und anstrengend, da es schon seit längerer Zeit immer bergauf ging. Das war für mich der Tag der meisten Pausen - immer auch nur zum Trinken.
Bei der nächsten Gelegenheit gab es extra für mich eine frisch gepresste Zitronenlimonade - süß und sauer zugleich!!

Zeit für die kleinen Dinge nehmen

Der Abschnitt nach Pontevedra war sehr abwechslungsreich - es ging durch Schattenspendende Wälder, kleine Ortschaften, entlang von Feldern mitten in der prallen Mittagssonne, durch einige Weinbau-Gebiete der Region und entlang eines Bachlaufes.

Auf den letzten 4 Kilometern vor Pontevedra gab es eine sehr schöne Kapelle ‘Capela de Santa Marta’ von 1617, vor der ich eine Pause machte und doch mal seit langem wieder, von einem Deutschen, auf meinen großen Rucksack angesprochen wurde. Ach ja, Foto und Erklärung zum Inhalt kommt ja noch ;-) - Hauptsache meinen Rucksack tragen können!

Weiter ging es statt an der Straße entlang, immer dem Rio Tomeza folgend. Ein anderer Pilger hatte sich am Rande des Ufers niedergelassen und die Schuhe ausgezogen. Mit gefiel die Idee und ich mich davon inspirieren, eine geeignete Stelle für ein Fußbad im kalten Nass zu finden. Was sich nach einer Weile auch fand. Richtig schön kalt und erfrischend. Wäre gerne noch weiter im Wasser gelaufen, aber es wurde schnell Hüft-tief und damit doch etwas zu viel der Nässe, vor allem für die Kleidung und den Rucksack-Inhalt. Also wieder rein in die Schuhe und mit erfrischten Füßen weiter.

Kneippen oder so ähnlich :-)

Nach anderthalb Stunden entland des kleinen Bachlaufes war ich dann in Pontevedra angekommen und bin am Bahnhof gleich mal, schnurstracks, in den ALDI einkaufen gegangen.
Wie ich mich gefreut habe, als ich dort Soja-Joghurt, Zucchini / Champignons / Tomaten für ne Gemüse-Pfanne und Obst kaufte. Hatte mein ‘Fest-Essen’ schon bildlich vor Augen.
Es sind immer wieder die kleinen Dinge innerhalb eines Tages, die das große Glück darstellen. Und an diesem Tage war es die Vorfreude mir selber Abendessen zuzubereiten.

Im Hostel angekommen, machte ich erstmal Handwäsche und gönnte mir ebenso eine Dusche.
Meine Camino Familie war zwar gar nicht weit entfernt, aber an diesem Nachmittag / Abend hatten wir uns dann doch nicht mehr getroffen.
Ich konnte somit meinem Bedürfnis weiter zu schreiben, nachgehen.
Während ich im Hostel in der Wohnküche schrieb, beobachtete ich eine Gruppe an Englisch-sprechenden älteren Menschen. Sie deckten ihren Tisch mit einer Tischdecke aus Porto, legten Teller, stellten Gläser, Tassen etc. auf den Tisch und jede Menge leckeres Essen. Ich musste hierbei daran denken:

Machst du es dir schön, hast du es schön!

Definitiv etwas, was diese Runde beherzigte.
Es stellte sich heraus, dass die Vier aus Kanada und den USA stammen. Jeweils alle schon Mitte 60 und Mitte 70, den Jakobsweg pilgernd.
Die eine Dame erzählte mir, dass sie mit Anfang 60 - vor 7 Jahren, die kompletten 800 Kilometer des Camino Frances gepilgert sei. Ich war wirklich beeindruckt.

Meinen Rucksack für den nächsten Morgen vorbereitend, ging ich ins Bett. Es durfte eine etwas ruhigere Nacht werden :-)

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Tag 24 - Being a modern pilgrim - with or without Google maps ;-)