Tag 15 - Auf geht’s…santiago wartet
Dann Pilger ich wohl mal ne Runde…
Bevor ich am Morgen des 8. April ins Pilgern gestartet bin, hab ich noch ein 2. Mal meinen Rucksack von 'unnützen' Sachen befreit und diese in einem Beutel vor dem Humana Laden in Porto abgestellt.
Es sollte sich recht schnell heraus stellen, dass mein Rucksack noch immer zu schwer war. Auf dem Weg zurück zum Hostel holte ich mir in der Kathedrale von Porto meinen 1. Stempel im Pilgerausweis.
War ähnlich eines formalen Aktes - Zack rein, Ausweis vorgelegt, noch gefragt, woher ich komme und der Stempel rumste runter.
Am Abend zuvor hatte ich ziemlich viel Unwohlsein und Angst, ob ich das wirklich schaffe, mit meinem Gepäck und ohne großartiger Planung einfach mal los zu pilgern. Ich hab diese Bedenken einfach da sein lassen und konnte einigermaßen gut im Hostel schlafen.
Um mir den Weg durch Porto zu sparen, fuhr ich mit dem Bus bis Matosinhos - dort sind die vielen Strände von Porto und ich sparte somit 5 Kilometer durch die Stadt.
Dort kam ich durch Zufall an einem Info-Point des Portugiesischen Jakobsweges vorbei, wo ich meinen 2. Stempel sowie eine Karte bekam. Denn ich hatte zu Beginn weder eine Karte noch eine App. Immer in Richtung Norden und der Atlantik links von mir - kann ja nicht so schwer sein, dachte ich mir.
Anfangs empfand ich den Weg als wenig einladend, denn die Promenade bot kaum Sonnenschutz und ich merkte, wie mir mein Rucksack einfach zu schwer war.
Bei 22 Grad und mehr, los zu pilgern, war eine wirkliche Herausforderung für meine innere Kritikerin. Die dann doch hin und wieder gerne mal fragte, was machst du hier eigentlich. Um diese Stimme etwas ruhiger zu halten und um in einen Rhythmus beim Laufen zu kommen, nahm ich meine Kopfhörer und ließ eine Progressive House Musik Playliste laufen. Hauptsache ohne viel Stimme & Gesang, ganz von meinen Gedanken wollte ich mich nicht ablenken.
Und die Musik half mir sehr in einen guten Rhythmus zu kommen. Ich machte viele Pausen, um zum einen den Ausblick auf den Atlantik zu genießen, die frische Luft und den Moment. Denn so sehr auch Santiago de Compostela DAS Ziel am Ende der Pilgerreise ist, so ist doch alles, was auf dem Weg passiert, sehr viel entscheidender.
Schritt für Schritt wechselte der Untergrund von Beton, zu Promenade und irgendwann zu einem Holzweg - mit einladenden Buchten zum Ausruhen und Verweilen sowie Kilometer-Angaben :-D
Immer dem gelben Pfeil nach
Irgendwann begegnete ich auch ersten Pilgern und Pilgerinnen - wie Maja aus Deutschland. Sie sprach mich beim Vorbeigehen an und wir hatten bis Labruge eine sehr schöne Unterhaltung, über all das, was uns geprägt hat, wie bspw. die Herkunftsfamilie, unser soziales Umfeld und was uns antreibt.
Maja, mit ihren 20 Jahren, war auf der Suche nach dem, was ihr wirklich Freude bereitet. Sie wusste bis dato nicht, was sie genau nach der Schule an Ausbildung oder Studium machen möchte und hat stattdessen gejobt, um ab Lissabon startend, den Jakobsweg zu laufen. Auch ganz bewusst, entschied sie sich, diesen allein zu laufen.
Sie war sich treu und folgte ihrer inneren Freude. Als eine meiner ersten Begegnungen auf dem Jakobsweg, war diese sehr bezeichnend für mich.
Denn ich wollte wieder mehr Freude in mir fühlen, von dieser friedvollen Freude bis zur übersprudelnden Freude und ich wusste, ich war auf dem richtigen Weg - im Innen sowie Außen.
Wir liefen eine ganze Weile gemeinsam auf dem Weg und uns beiden fiel auf diesem Küstenabschnitt sehr stark die Umweltverschmutzung auf. Es lag viel Plastik, teils schon zersetzt und teils noch recht frisch erst angeschwämt an den Stränden. Wir verstanden beide nur schwer, warum der Müll nicht entsorgt wird, der in so direkter Nähe zu den dort lebenden Menschen zu finden ist. Diese Frage kann ich mir auch immer wieder in Berlin stellen -egal wo man sich mittlerweile auf dieser Erde befindet, das Müllthema begleitet einen.
Zum Glück waren nicht alle Abschnitte gleich vermüllt und es sollte sich auch heraus stellen, dass auch in Portugal achtsame Menschen Müll in riesigen Säcken sammeln, diesen zum Großteil entsorgen und zu einem kleinen Anteil zu Kunst verarbeiten. Diese Kunst schafft wiederum Aufmerksamkeit.
Dieses Thema begleitete mich auch noch weitere Tage auf dem Jakobsweg.
Nach guten 20 Kilometern an diesem Tag entschied ich mich in Vila Cha die ausgeschilderte Albergue anzusteuern. Maja hatte sich für die Albergue in Labruge entschieden und so war ich wieder allein mit mir.
Ich war die erste Pilgerin an diesem Tage in der Albergue und muss sagen, es war definitiv eine der besten Alberguen auf dem Weg - vor allem für 10 € die Nacht.
Es gab für jeden ein mit Bettwäsche bezogenes Bett, Handtücher, Vorhänge für etwas mehr Rückzug, Duschen, eine Küche und ganz viel Ruhe.
Ich entschied mich dafür, noch kein Pilgermenü zu probieren, stattdessen nutzte ich die Küche, um mir ein Abendessen aus Gemüse (vom kleinen Supermercado um die Ecke) und Reis (Rest-Spenden von anderen Pilger*innen) zu zaubern.
Später kam noch Domingo, Spanier aus Galizien, mit seinem E-Rad und zwei deutsche Pilgerinnen.
Domingo war sehr gesprächig, allerdings war es mit meinem wirklich gebrochenen Spanisch, sehr schwierig mich zu verständigen. Das ich dafür meine 'Deepl' App hätte nehmen können, auf die Idee kam ich nicht. Verstehen konnte ich ihn etwas.
Er war in Galizien, in seiner Heimat an der Atlantik-Küste, gestartet und auf dem Weg nach Fátima. Dies ist ebenfalls eine Pilgerstätte, auf halber Strecke zwischen Porto und Lissabon, unweit von Nazaré und Tomar.
An diesem Wallfahrtsort soll die Jungfrau Maria 1917 erschienen sein.
Domingo berichtete auch, dass er in einer Albergue zuvor, auf der Couch schlafen musste, weil es so voll war und jetzt von über 20 Betten, sind nur 4 belegt.
Zu seiner und auch meiner Freude.
Was mir für das weitere Pilgern Sorgen bereitete, war das Gewicht meines Rucksackes. Ich merkte, als ich ankam, dass ich mir während des Laufens einen Nerv am unteren Rücken abgeklemmt haben musste, denn meine Haut am linken Oberschenkel sowie Hüfte war taub und erst nach der Hälfte des Oberschenkels spürte ich wieder die Berührungen durch meine Hand.
Erste Abhilfe verlieh mir meine Mini-Wärmflasche und einfach mal alle Viere gerade sein.
Eine Lösung wird sich schon finden - so meine Hoffnung :-)