Tag 22 & 23 - es geht weiter…
In meinem Hotelzimmer in Baiona angekommen, hab ich erstmal alles dunkel gemacht und ne Runde geschlafen.
Zum Glück hatte ich Wasserkocher auf meinem Zimmer und konnte mir am nächsten Morgen wieder warm aufgeqollene Haferflocken machen, dazu ne halbe frische Birne und ne frischen Tee!
Den befüllten Rucksack wieder auf dem Rücken und anfangs etwas unruhig, ob das was wird mit Pilgern an diesem Tage, hole ich noch Geld am nächsten Bankautomaten und ziehe in den sonnigen Sonntagmorgen in Richtung Vigo los.
Da meine App 'Buen Camino' oder auch 'Jakobsweg' nicht den aktuellen Küstenweg anzeigt, sondern immer irgendwo in Uteritz - Frankreich mir den Weg ausgibt gehe ich erstmal in Richtung Promenade und laufe einfach diese mehrere Kilometer entlang.
Die dortigen Anwohner*innen sind schon alle zu halb neun Uhr morgens fleißig am Joggen, Rad fahren, Walken, Hund ausführen - allein bin ich also nicht, aber Pilger*innen sehe ich zunächst keine, auch keine Camino-Symbole, wie die gelbe Jakobsmuschel oder auch den gelben Pfeil.
Ich merke noch, wie mein Körper etwas geschwächt ist - ruckel mir den Rucksack häufiger zurecht und trinke auch mehr.
Bestes Sonntags-Wetter - Marina von Baiona
Die sportlichen Zweirad-Freunde - davon gab es echt richtig viele - teils mit Begleitauto
Der Weg hat so seine Herausforderung, weil die Pfeile kaum zu sehen sind. Also wie schon die Tage zuvor, einfach Schritt für Schritt und in meinem eigenen Tempo sowie immer auf Ausschau bleiben.
Der Aufkleber war kleiner als das Display meines Smartphones
Ich komme an einem Skate Café vorbei und gönne mir mal wieder etwas richtiges zu essen - eine getoastete Stulle mit Tomaten sowie Avocadoscheiben und ein Teechen dazu. Und es ging gut - also alles im Magen geblieben und somit ging’s auch weiter im Takt.
Ich treffe auf diesem Abschnitt des Küstenweges auf kaum Pilger oder Pilgerinnen. Dafür sind einige Pausen-Punkte umso schöner... mit Ausblick aufs Meer und mit Ausblick auf eine Koppel mit Pferd sowie Schaf.
Die schnelle Erschöpfung mit Müdigkeit sorgt dafür, dass ich mir Gedanken mache, wie ich es nah Vigo noch schaffen kann und wo bzw. wie ich schlafen möchte - für mich allein oder in einer Herberge mit anderen.
Ausblick Pause 1 - das Schaf war sichtlich irritiert - hat mich immer wie verstarrt angeschaut, wenn ich mich bewegte - ‘Eindringling’
Ausblick Pause 2 - beste Pause ever auf dem Camino
Ne Stempel fürs Stempel-Heftchen war an dem Tag auch noch drin ;-)
Zum Glück ist die Camino Familie - Camino Papa Klaus-Peter mit seiner Schwester Suzanna schon in der Nähe von Vigo und ein kleiner Lichtpunkt, wo ich heute noch auf mir liebe Menschen treffen kann. Also kleines Hotelzimmer gebucht und jetzt nur noch irgendwie aus Oia weg kommen. Meine Intuition führt mich wie so oft auf dieser Reise in die richtige Richtung, denn ich sehe einen Bus die Straße runter und kann nur hoffen, dass dieser nach Vigo fährt. Mit meiner 'Deepl'-App Übersetzung frage ich den Busfahrer in welche Richtung er fährt. Und ich hab Glück, es geht in Richtung Vigo und das in entspannten 20 Minuten - noch Zeit für eine Cola sowie Toilette in dem nahe liegenden Restaurant.
Ich schlafe im Bus fast ein, die 15 Kilometer waren bei der Wärme und meinem noch etwas ausgeschlauchten Körper anstrengend.
Von der Endhaltestelle des Busses entscheide ich mich für ein Taxi, denn der nächste Bus in Richtung Hotel fährt erst eine Stunde später. Ein Hoch auf den Sonntag in Spanien... immerhin alle Stunde mal ne Bus!
Der Nachmittag heißt Schlafen und Dösen sowie noch einen kleinen Spaziergang zur Camino Familie an den Strand und einem Abendessen, was keines ist - zumindest noch nichts für meinen unruhigen Magen und Darm. Hin und wieder ist die kalte Küche in Spanien weniger meine, was okay ist. Erinnere mich hierbei wieder an den Taiwanesen in Sevilla, der meinte, irgendwie fehlt ihm in der spanischen Küche die Ausgewogenheit, um auch eine Sättigung zu haben.
Brot und Tortilla halt!!!
Mit einer guten Mütze Schlaf geht es dann am nächsten Morgen, noch vor der Camino Familie, auf den Weg. Der mal wieder gefunden werden möchte. Der Weg von dem Hotel nach Rondela soll etwas mehr oberhalb verlaufen und eine Frau aus der Gegend erklärt mir auf Spanisch, wie ich zu gehen habe. Hab nur ein Viertel davon verstanden und somit kommt wieder Google Maps zur Anwendung. Wanderwege deuten schon mal auf ne Weg hin. Könnte vielleicht richtig sein :-
Also immer der Nase nach und somit beginnt der Weg mit einer Kardio-Einheit, da es einfach nur steil wie bolle ist. Autos, die vorbei fahren, sind einigermaßen umsichtig. Das ist auf dem Jakobsweg nicht immer so.
Ziemlich schniefend und schon schwitzend, stehe ich auf einmal 20 Meter von einer Mauer entfernt, wo mir Zähne fletschende Hunde eher an die Gurgel springen wollen, wenn sie es könnten. Da einer von ihnen auf der Mauer steht und ich für einen kurzen Moment Angst verspüre, drehe ich um.
Im nächsten Augenblick kommt eine Dame von weiter oberhalb die Straße runter, mit einer kleinen Sense in der Hand.
Na toll, jetzt auch noch Hundefutter aus mir machen wollen!
Mutig, ohne einen Blick den Hunden zu würdigen, laufe ich die Straße weiter nach oben und die Dame mit der Sense sagt mir, dass ich den kleinen Weg um die Ecke nehmen solle, da ginge es zum Camino Santiago.
Und sie sollte recht behalten...kurz vor dem Weg, echt fertig nach diesem steilen Anstieg, laufen ziemlich entspannt 2 Pilger an mir vorbei und ich ihnen zu Füßen.
In einem ziemlich herunter gekommenen Bushäuschen mache ich eine kurze Verschnaufpause und freue mich, es auf den Weg geschafft zu haben.
Endlich oben angekommen - schöner Aus- und Einblick - die ausgleichende Passionsblume
Wenn du einfach Gras über die Sache wachsen lässt :-)
In diesem Moment an der Bushaltestelle angekommen, wird mir, mit Blick zurück bewusst, dass der Küstenweg geendet hat und es jetzt auf dem Camino Portugues Central weiter geht. Mit bestem Wetter - Sonne und Wolken wechseln sich an diesem Tag ab und es ist noch in den frühen Morgenstunden ruhig auf dem Weg. Lange Zeit laufe ich ganz für mich durch den Wald - immer mal mit Blick in Richtung Land- und Wasser - der Atlantik zieht sich wie ein kleines Fjord ins Landesinnere rein. Kleine Inseln im Wasser - ganz ruhig und still für sich.
Hat mich zum Verweilen und Träumen eingeladen
Neben einem umgekippten Bauarbeitenwagen, im Garten arbeitenden Menschen kam ich ziemlich schnell an diesem Vormittag in Redondela an. Ich war selbst etwas überrascht, es waren halt nur 7 Kilometer.
Ziemlich ungewohnt noch vor 12 Uhr am Zielort einer Pilger-Etappe anzukommen.
Irgendwie auf die schiefe Bahn gekommen
Schnell füllte sich der Platz mit weiteren Pilger*innen. Einige zogen gleich weiter und andere blieben für eine Pause. So langsam realisierte ich, dass Santiago de Compostela näher rückte - es kamen der Küstenweg und der zentrale Weg zusammen und auf dem zentralen Weg aus Portugal kommend, sind einfach mehr Menschen unterwegs.
Ich setzte mich ins Café, am Platz des Klosters Vilavella - nach kurzer Zeit erschien Feliz, welche ich in Póvoa de Varzim zuletzt getroffen hatte.
Es kam zu einem wirklich wunderbaren Gespräch mit ihr. Sie erzählte mir mehr über ihr Geburtsland Suriname. Einer ehemaligen Kolonie der Niederlande in Südamerika. Mit noch viel erhaltenem Regenwald und einer sehr vielseitigen Kultur, geprägt durch Menschen aus aller Welt - Indien, Indonesien, Afrika, China, arabische Länder wie Syrien.
Feliz ist 67 Jahre alt, ihre ethnischen Wurzeln liegen in Indien und sie ist mit eine der Ältesten, die ich auf diesem Jakobsweg begegnet bin. Ihre Tochter hat sie mit 20 Jahren bekommen und musste diese alleine groß ziehen. Sie meinte, hätte ein Mann an ihrer Seite nochmal ein Kind haben wollen, wäre sie die Wochenend-Mutter geworden. Nach dem sie in Rente gegangen war, entschied sie sich doch noch relativ schnell weiter arbeiten zu wollen - 4 Tage die Woche à 6 Stunden am Tag. Sie wollte weiterhin ihren Geist in Training halten und mochte auch die Zusammenarbeit mit den weitaus jüngeren Menschen in ihrer Firma.
Ich empfand es beeindruckend, denn von solch einer Entscheidung habe ich von wenigen, die bisher in Deutschland in Rente gegangen sind, gehört.
Wir unterhielten uns auch über Wanderschuhe und die beste Prävention von Blasen zwischen den Zehen. Feliz zeigte mir ihre Zehen-Socken - die anscheinend sehr zu empfehlen sind, da ein Reiben der Zehen vermieden wird. Des Weiteren hatte sie an empfindlichen Stellen ihrer Füße Schafswolle gesteckt. Davon gab sie mir auch ein wenig, falls ich es gebrauchen könnte.
Sieht schon ulkig aus und doch effizient #wisstabescheid
Wir sprechen auch über die Prägungen in unserem Leben und das sie gerne nach und nach loslassen möchte, sie zu sehr für andere Menschen verantwortlich zu fühlen. Unter anderem weil sie gemerkt hat, dass es sich belastet und ihr dies nicht gut tut. Sie machte sich nämlich Gedanken, ob es wohl dem einen Pilger gut gehen könnte, der heute auf dem Weg einen anderen Weg entlang eines Wasserfalls genommen haben könnte. Das ist auch Teil des Jakobsweges, auch mal neben den eigenen Gedanken nach links und rechts zu schauen, wie es meinen Mitpilgernden geht. Nur sind wir dennoch nicht verantwortlich dafür, was für Wege Menschen einschlagen. Wer noch mehr Entdecken möchte, geht auch mal abseits der ausgetretenen Pfade.
Sinnbildlich für unsere Prägungen im Leben fiel mir dazu unser Stempel-Heftchen ein - einige Menschen, wie Feliz, wollen bestimmte Verhaltensmuster los werden und gleichzeitig sammeln wir Stempel, die eine Prägung auf Papier hinterlassen. Vielleicht auch eine Art ‘Überprägung’ oder ‘Neu-Prägung’ mit neuen, wertvollen Erfahrungen.
Da Feiertag in Redondela ist und immer wieder halbstündig Kanonenschüsse los gehen, die mich echt erzittern lassen und nerven, haben nur vereinzelt Tapas Geschäfte offen - also wieder nichts Richtiges zum Abendessen?!
In der Albergue treffe ich wieder auf Klaus-Peter und Suzanna. Wir entscheiden uns nach erfolgloser Suche nach einem offenen Supermarkt für ein Reste-Essen.
Für mich gab es Reis mit Mais - und es war das Beste, was ich an diesem Abend hatte :-) mit vorallem guter Gesellschaft!
Beide sangen übrigens seit ein paar Tagen schon immer wieder 'Collie, Collie, meine Freundin Collie' - abgewandelt von 'Conny, Conny, meine Freundin Conny' - Wie lange ich schon nicht mehr so genannt wurde.
Spitznamen sind schon was Besonderes :-D
Die Nacht in der Albergue war wieder mit viel Schnarchen behaftet- dies mal im Bett vor mir und hinter mir. Also legte ich mich einfach in ein Bett gegenüber, welches frei war und dort war es einigermaßen gut auszuhalten…